Wer ernsthaft an
Rettungshundearbeit interessiert ist, wird sich sehr bald –
idealerweise vor Anschaffung des Vierbeiners – die Frage
stellen, welcher Hund für diese Aufgabe geeignet ist. Mindestens
genauso wichtig, aber sehr viel häufiger außer acht gelassen,
sind die Voraussetzungen, die der Hundeführer mitbringen muß,
der sich mit seinem Hund freiwillig zur Hilfeleistung
verpflichtet und dennoch nie als Amateur eine Hilfe sein kann.
Schon sehr früh war klar:
"[...] der Hundeführer [..] muß gesund
und körperlich fit sein, gutes Einfühlungsvermögen zum Tier
und Teamgeist besitzen. Labile, leicht erregbare und allzu
ehrgeizige Hundeführer sind ungeeignet. [...] Die Ausbildung
kann man ja noch als Hobby ansehen, die Einsätze dagegen
sind keines mehr."
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Auch körperliche Strapazen
wie das Abtragen von Trümmern per Hand gehören zu den Aufgaben
eines Rettungshundeführers. |
Das heißt
konkret: Die Herausforderung einer Einsatzgruppe ist, gegebene
Schwierigkeiten gemeinsam zu lösen; die Leistungen der "fremden"
Hunde muß dem Hundeführer daher schon im Training genauso
wichtig sein wie die des eigenen. Natürlich muß jedes
Rettungshund-Hundeführer-Team eine Mindestqualifikation
nachweisen, doch darüber hinaus erfordern die ganz speziellen
Anforderungen jeden neuen Einsatzes Spezialisten. Wenn zum
Beispiel ein Trümmerhund nur über leiterähnliche Verstrebungen
in ein Haus gelangen kann und der Weg zusätzlich durch Rohre in
Schäferhund-Brusthöhe versperrt ist – ist das nur ein Fall, der
deutlich macht, warum erfahrene Einsatzleiter zu schätzen
wissen, wenn sie auf einen Pool ganz unterschiedlicher
Einsatzkräfte zugreifen können. Die Erkenntnis ist eigentlich
auch nicht neu, und insbesondere erstaunt mich immer wieder die
Verwunderung vieler, daß ein 32 cm kleiner Hund wie mein Parson
Russell Terrier in unserer 1. Rettungshundestaffel Berlin nicht
als Maskottchen, sondern als gleichwertiger Einsatzhund
geschätzt wird. Schließlich wurden die Fähigkeiten unserer
Terrier von den Ursprüngen der Verschüttetensuche an erkannt und
genutzt:
"Der Begriff des Rettungshundes ist im
Vergleich zu anderen Verwendungsarten relativ neu. Er
entstand erst in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges
in England. Eine ältere Dame brachte ihr Hündchen in die
Trümmer der durch V-Waffen zerstörten Häuser und ließ es
dort nach Verschütteten suchen. Dieser kleine Hund (Rasse
unbe-kannt) war der ,Ur‘-Rettungshund.
Von Oktober 1944 bis Kriegsende wurden dann drei
Schäferhunde [...] – wie auch der besonders erfolgreiche
Foxterrier ,Beauty‘ – mit der ,Dikkin-Medaille des
Viktoria-kreuzes für Tiere‘ ausgezeichnet."
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Seine Eignung als
Rettungshund dürfte nach sieben Jahren Training und mit
fünfjähriger Einsatzerfahrung nicht mehr angezweifelt werden. |
Heute werden die Einsatzgebiete von
Rettungshunden grob in fünf Sparten gegliedert. |
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Auch in
Friedenszeiten werden Menschen in zertrümmerten Gebäuden
vermutet. Nach Dachstuhleinstürzen, Gasexplo-sionen, Erdbeben
u.ä. kommen Trümmersuch- oder K(atastrophen)-Hunde zum Einsatz.
Häufig erwarten
hier kleine, arbeitsfreudige Hunde Aufgaben, bei denen sie ihre
Vorteile, nämlich ihre Leichtigkeit, Beweglichkeit und ihr
Eindringevermögen in enge Bereiche, voll entfalten können.
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Nach dem Erdbeben in
Adapazari (Türkei) im August 1999 war ein Eindringen hinter
diese Rückwand nur einem kleinen Hund möglich – dahinter
befanden sich aber große Hohlräume in Höhe der Heizkörper. |
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Flächensuchhunde
sollen Vermißte, z.B. verwirrte oder suizidgefährdete Personen,
in großflächigen Gebieten auffinden. Bezeichnungen wie z.B.
"Gebirgsflächensuchhund" weisen lediglich auf geographische
Besonderheiten hin, sie beziehen sich stets auf die bewährte
Stöbersuche.
Auch in der
Fläche werden durch die Art des Unterholzes Hunde verschiedener
Größen unterschiedlich begünstigt; der Einfluß auf die
Einsatztaktik ist aber bedeutend geringer als in den Trümmern.
Ist man sich bewußt, daß ein kleiner Hund aufgrund der kürzeren
Schrittlänge nie die gleiche Suchfläche abdecken kann wie ein
größerer Hund gleicher Arbeitsintensität und Bewegungsaktivität,
wird man die Leistung eines Parson Russell Terriers durchaus
honorieren – nicht nur, weil Flächeneinsätze am häufigsten
auftreten und oft sehr weiträumige Gebiete abzusuchen sind,
sondern vor allem aufgrund seines enormen Arbeitswillens. |
Der Rettungshund zeigt eine
gefundene Person an, indem er sie verbellt, ohne sie dabei zu
berühren. |
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Fährtensuchhunde
(Tracking und Trailing) eignen sich, wenn ein früher
Aufenthaltsort des Vermißten eng eingegrenzt werden kann, etwa
anhand eines geparkten Autos oder dergleichen. Da die Polizei
selbst Fährtenhunde führt, werden die Hilfsorganisationen für
solche Aufgaben nicht zwangsläufig benötigt.
Ein einsatzmäßig
geführter Fährtenhund muß in sehr guter Kondition sein, um einer
mehreren Stunden alten und mehreren Kilometern langen, z.B. auch
über befahrene Straßen führenden Fährte folgen zu können; die
dem Parson Russell Terrier eigene Arbeitsfreude wird sich auch
hier günstig auswirken. |
Auf dieser Trainingsfährte
folgt der Hund einem Winkel. |
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Lawinensuchhunde
werden zur Rettung von Lawinenopfern oft unter extremen
Witterungseinflüssen eingesetzt.
Obwohl der Parson
Russell Terrier die formalen Prüfungs-kriterien zum Rettungshund
Lawine problemlos erfüllen wird, rate ich jedem, der sich
ernsthaft in dieser Sparte engagieren möchte, zu einer anderen
Rasse. Daß ein kleiner Hund aufgrund seiner bezogen auf die
Körpermasse größeren Körperoberfläche mehr gegen Unterkühlung zu
kämpfen hat, liegt auf der Hand – nur ein Beispiel für die
Strapazen, mit denen die Rettungsteams zu kämpfen haben. |
Lawinenhunde werden nicht nur
bei idealen Wintersportbedingungen, sondern gerade auch bei
schlechten Wetterverhältnissen gebraucht. |
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Wassersuchhunde sollen
Ertrinkende und Ertrunkene in Gewässern orten. Soweit hier die
Fähigkeiten der Hundenase gefragt sind, spricht nichts gegen den
Einsatz eines Parson Russell Terriers, wenn er auch auf das
Anzeigen von Toten konditioniert ist.
Andere Aufgaben erwarten
Wasserrettungshunde, die Ertrinkende selbständig ans Ufer
ziehen. In diesem Fall ist eine seriöse Arbeit mit einem zu
leichten Hund nicht möglich. |
Ein leidenschaftlicher
Schwimmer - aber just for fun... |
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Ch. Idemo by
Windrush, WT 19/02/1996, ist aktiver Rettungshund der 1.
Rettungshundestaffel Berlin. Seine Erstprüfungen Fläche und
Trümmer legte er 1998 ab; seitdem war er in diesen Sparten
mehrfach erfolgreich im Einsatz.
Die Erfahrungen unseres Teams ergänzt Idemo durch
Lawinenprüfungen. Seine Qualifikation in dieser Disziplin ist
jedoch ausschließlich als Fortbildung zu sehen, ohne das Ziel,
an realen Lawineneinsätzen teilzunehmen.
Die Photos sind unser Eigentum
und ihre Verwendung nur mit unserer Zustimmung gestattet.
Für nähere Informationen wenden Sie sich bitte an:
1. Rettungshundestaffel Berlin
im Arbeiter-Samariter-Bund Landesverband Berlin e.V.
z.H. Renate Eberts & Idemo by Windrush
Homepage:
www.nosy-nostril.de |
Quellen
1 Karnath, Marie-Luise: Der
Rettungshund. Reutlingen. Oertel + Spörer, 1983, S. 19.
2 Karnath, Marie-Luise: Der
Rettungshund. Reutlingen. Oertel + Spörer, 1983, S. 9 - 10. |